16
Okt
2008

Es wird kalt - aber warm

An Bijeljina selbst ist, das habe ich, denke ich, schon geschrieben, nicht viel Schönes. Darüber ist man sich weitgehend einig (die Leute in Bijeljina habe ich zugegebenermaßen nicht gefragt). Schön ist ein kleiner Park mit alten Bäumen nicht weit von der Stadtmitte, neben dem sich zufällig der Computerladen befindet, dem ich einen dringenden Besuch abstatten muss, um ein neues Ladegerät für meinen zwangsstillgelegten Laptop zu kaufen.
Und dann überrascht mich die Fahrt in diese langweilige Stadt, schließlich nicht zum ersten Mal unternommen, doch noch. Wir haben in aller Frühe eine Mitfahrgelegenheit bekommen, und kurz nach Sonnenaufgang sitzen wir im Auto, die Berge sind halb im Nebel, das Licht malt die Landschaft in sanften Tönen, und ich verliere mein Herz nun ganz an Bosnien. Als ich auf der Rückfahrt im Bus meinem Freund vorschwärme („und guck, die Schafe! und die kleinen Dörfer!“), erwidert er ironisch, und die verfallenen Häuser! die Außentoiletten!, aber das kann meine Stimmung nicht mehr trüben. Der Herbst ist einfach zu golden.

Der erste von zwei Allerseelentagen der orthodoxen Religion ist am 11. Oktober. Die serbischen Familien gehen auf die Friedhöfe zu ihren Toten, wo symbolisch zum Gedenken Wein getrunken wird. Zeitgleich sitze ich an meinem Computer und arbeite, während draußen in einem Café plötzlich Volksmusik aufgedreht wird und ein paar Männer lautstark dazu brüllen und johlen (irrtümlicherweise halte ich den Lärm aus der Entfernung erst für eine Feiertagsprozession). Vielleicht ist ihnen der Feiertag aufs Gemüt geschlagen. Sogar die Katze verlässt, nach kurzem Starren mit weit aufgerissenen Augen, den sonst über alles geliebten Balkon schnell wieder. Zu laut hier.

Und gestern fing endlich das Heizen an. Plötzlich habe ich kein Problem mehr damit, morgens aufzuwachen, weil die Temperaturen auch jenseits der Bettdecke keine Gefahr für die Gesundheit mehr darstellen. Nachteil: Einfluss haben wir auf diese Temperaturen nach wie vor nicht, denn geheizt wird zwischen 7 und 22 Uhr, sowas wie Thermostate gibt es nicht, und deshalb kann man die zunehmende Hitze entweder genießen und im T-Shirt durch die Wohnung laufen oder die Fenster aufreissen. Alles sehr umweltfreundlich, aber nicht zu ändern. Gezahlt wird logischerweise nach Quadratmetern der Wohnung (auch wenn wir z.B. das große Wohnzimmer gar nicht nutzen und es dementsprechend auch nicht geheizt werden müsste). Die Willkür, mangelnde Informations- und wankelmütige Preispolitik der Wasserversorger und Heizwerke sind bekannt, und mir ist davor etwas mulmig. Aber bis zur ersten Rechnung genieße ich das gemütliche Gefühl des Drinnen- und Warmseins erstmal so unbeschwert wie möglich.
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Unterwegs in Bosnien

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