grenzüberschreitend
Neulich wurde mir eine junge Frau vorgestellt, und schon bevor ich das breite Grinsen der anderen sah, wusste ich aufgrund ihres Kleidungsstils, Haarschnitts und der seltsamen Zurückhaltung, mit der sie mir die Hand gab, dass Deutschland im Spiel war. Erst bei unserer zweiten Begegnung hatten wir kurz Zeit, ein wenig ins Gespräch zu kommen, und so kurz es auch war, reichte es mir, um mich ein wenig unwohl zu fühlen. Die junge Frau ist Bosnierin – wenn man von ihrer Herkunft ausgeht, hat aber die meiste Zeit ihres Lebens in Deutschland verbracht und sieht sich selbst „zu 90% als Deutsche“. Sie hat beide Pässe. In zehn Minuten erzählte sie mir die Kurzfassung ihrer Lebensgeschichte und zeigte sich dann selbst erstaunt darüber. Wesentlich war daran vor allem der Ausdruck ihres Unwohlseins, jedes Mal, wenn sie nach Zvornik kommt. Denn, wie sie sagte, sie kann sich einfach nicht sicher sein über die Menschen hier. Was sie eigentlich von ihr wollen. Sie geht abends aus, aber sie kann einfach, anders als in ähnlichen Situationen in Deutschland, nicht sie selbst sein. Wenn Leute sie ansprechen, sie kennenlernen wollen, weiß sie nie, warum sie das tun. Geht es ihnen um SIE, um den Menschen, oder um SIE, die Deutsche?! Wollen diese Bosnier am Ende nur ihr Geld?
Ihr Redefluss war nützlich, so dass ich mich auf ein paar „Mmh“s beschränken konnte. Wir sind ja beide Deutsche, wir verstehen uns doch, so etwas klang in ihrer Rede an. Und ich war ganz zufrieden, dass keine Zwangsfreundschaft daraus entstehen musste (sie flog zwei Tage später zurück ins Paradies).
Natürlich liegt in ihrer Angst, ausgebeutet zu werden, eine gewisse Berechtigung. Und andererseits eine fürchterliche Vermessenheit. Dass bloß niemand wage, die Wohlstandsgrenzen anzutasten, die uns voneinander trennen.
Es mag ein Unterschied bestehen zwischen ihr, der man Blutsbande zum Verhängnis machen könnte und zur Begründung für eine gewisse Verpflichtung den Leuten hier gegenüber, etwas abzugeben, und mir, die ich sozusagen nichts dafür kann, hier zu sein, ich bin einfach nur dumm genug, diese Wahl getroffen zu haben, und deshalb nicht ganz so antastbar. Die Hürde, mich nach Geld zu fragen, wäre wahrscheinlich ein Stück höher als bei ihr. Darüber hinaus habe ich es jedoch nie erlebt, dass jemand versuchte, meine Bekanntschaft zu machen, um an meine Finanzen zu kommen. Um mit mir über Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu diskutieren, ja. Um „die Deutsche“ ein bisschen auszuquetschen und zu fragen, wie in aller Welt sie nach Zvornik kam und warum sie auch noch länger bleibt, als unbedingt notwendig, ja. Vielleicht auch, weil die meisten Mädels hier dunkle Haare haben und ich blond bin. Aber nie um des Geldes willen.
Deshalb finde ich es mindestens traurig, wie jemand, der doch zumindest einen Funken Heimatgefühl in sich tragen sollte, und sei es nur um einiger hier verbrachter Kindheitsjahre willen, seinen eigenen Leuten so misstrauen kann. Das ist leider etwas, was ich als schlechtes Erbe aus Deutschland sehe. Zuerst ICH, und dann mal sehen. Ganz zu schweigen von dem Gedanken – selbst wenn Menschen hier mehrheitlich so wären, so gierig nach Geld, so bedacht auf Ausbeutung des ersten willigen Opfers aus dem Westen (und dass es dieses Denken gibt, will ich nicht abstreiten), wie ist es denn tatsächlich mit der Verteilung unserer Mittel? Haben wir in Deutschland je Angst gehabt, wir könnten am nächsten Tag keine Lebensmittel kaufen, weil das lächerlich kleine Gehalt viel zu schnell für die Miete, Strom, Wasser, Heizung, Familie, Schulden draufging? Mussten wir, meine Generation, je im Winter in kaputten Schuhen und in zu dünner Kleidung rumlaufen, weil es für die Anschaffung von warmen Sachen diesen Monat einfach nicht gereicht hat?
Es geht nicht um die Verteilung von Almosen, aber bei solchem generellen Misstrauen fehlt mir schlicht die Menschlichkeit. Vielleicht kann man seinen eigenen Egoismus antasten und fragen, was notwendig ist. Und nicht so sehr, was „eigentlich“ meins ist, wieviel mir zusteht, sondern, was ich davon abgeben kann. Weil ich im Paradies geboren bin oder das Glück hatte, rechtzeitig dorthin verpflanzt zu werden.
Ihr Redefluss war nützlich, so dass ich mich auf ein paar „Mmh“s beschränken konnte. Wir sind ja beide Deutsche, wir verstehen uns doch, so etwas klang in ihrer Rede an. Und ich war ganz zufrieden, dass keine Zwangsfreundschaft daraus entstehen musste (sie flog zwei Tage später zurück ins Paradies).
Natürlich liegt in ihrer Angst, ausgebeutet zu werden, eine gewisse Berechtigung. Und andererseits eine fürchterliche Vermessenheit. Dass bloß niemand wage, die Wohlstandsgrenzen anzutasten, die uns voneinander trennen.
Es mag ein Unterschied bestehen zwischen ihr, der man Blutsbande zum Verhängnis machen könnte und zur Begründung für eine gewisse Verpflichtung den Leuten hier gegenüber, etwas abzugeben, und mir, die ich sozusagen nichts dafür kann, hier zu sein, ich bin einfach nur dumm genug, diese Wahl getroffen zu haben, und deshalb nicht ganz so antastbar. Die Hürde, mich nach Geld zu fragen, wäre wahrscheinlich ein Stück höher als bei ihr. Darüber hinaus habe ich es jedoch nie erlebt, dass jemand versuchte, meine Bekanntschaft zu machen, um an meine Finanzen zu kommen. Um mit mir über Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu diskutieren, ja. Um „die Deutsche“ ein bisschen auszuquetschen und zu fragen, wie in aller Welt sie nach Zvornik kam und warum sie auch noch länger bleibt, als unbedingt notwendig, ja. Vielleicht auch, weil die meisten Mädels hier dunkle Haare haben und ich blond bin. Aber nie um des Geldes willen.
Deshalb finde ich es mindestens traurig, wie jemand, der doch zumindest einen Funken Heimatgefühl in sich tragen sollte, und sei es nur um einiger hier verbrachter Kindheitsjahre willen, seinen eigenen Leuten so misstrauen kann. Das ist leider etwas, was ich als schlechtes Erbe aus Deutschland sehe. Zuerst ICH, und dann mal sehen. Ganz zu schweigen von dem Gedanken – selbst wenn Menschen hier mehrheitlich so wären, so gierig nach Geld, so bedacht auf Ausbeutung des ersten willigen Opfers aus dem Westen (und dass es dieses Denken gibt, will ich nicht abstreiten), wie ist es denn tatsächlich mit der Verteilung unserer Mittel? Haben wir in Deutschland je Angst gehabt, wir könnten am nächsten Tag keine Lebensmittel kaufen, weil das lächerlich kleine Gehalt viel zu schnell für die Miete, Strom, Wasser, Heizung, Familie, Schulden draufging? Mussten wir, meine Generation, je im Winter in kaputten Schuhen und in zu dünner Kleidung rumlaufen, weil es für die Anschaffung von warmen Sachen diesen Monat einfach nicht gereicht hat?
Es geht nicht um die Verteilung von Almosen, aber bei solchem generellen Misstrauen fehlt mir schlicht die Menschlichkeit. Vielleicht kann man seinen eigenen Egoismus antasten und fragen, was notwendig ist. Und nicht so sehr, was „eigentlich“ meins ist, wieviel mir zusteht, sondern, was ich davon abgeben kann. Weil ich im Paradies geboren bin oder das Glück hatte, rechtzeitig dorthin verpflanzt zu werden.
Aufgablerin - 14. Nov, 17:31