16
Nov
2008

Brot und Drogen

Die Müllabfuhr kommt in Zvornik am Sonntag. Draußen dran am Müllauto steht „Haben Sie schon eine Biotonne?“, und nach einer Weile wird mir klar, dass ich es verstehe, weil es Deutsch ist. Natürlich eine Spende, das Auto.
Es ist inzwischen kalt geworden, nachdem der November noch mit über 25°C anfing. Die Kälte fühlt sich richtiger an als der falsche Frühsommer und ich kann mich langsam auf die tatsächliche Jahreszeit einstellen. Das heißt irgendwie auch, ständig über Weihnachten nachzudenken und sich drüber zu unterhalten. Für die Serben ist Weihnachten am 7. Januar, und glücklicherweise bin ich dann schon wieder hier und werde es nicht verpassen. Dementsprechend planen wir eine Feier im Freundeskreis, und mit den Mädels dreht sich das Gespräch eigentlich fast nur ums Essen. Dass wir uns einen Tag vorher treffen, und dann wird unanständig viel gekocht, und ich lerne, wie man sämtliche traditionellen Gerichte zubereitet. Der Januar scheint in kulinarischer Hinsicht insgesamt ein schwer zu bewältigender Monat zu sein, eine Menge Leute feiert dort Slava, also das nicht weniger als Weihnachten üppige Familienfest am Tag eines Heiligen.

An dieser Stelle ein kleiner (weiterer) Ausflug in die Esskultur. Dass es in Bosnien kein Schwarzbrot oder auch nur irgendwas dem entfernt Ähnelndes gibt, wird niemanden wundern. Dabei ist Brot hier vielleicht das wichtigste Grundnahrungsmittel, es wird einfach zu allem dazu gegessen, nur nicht – zu Suppe. Suppen spielen darüber hinaus eine wichtige Rolle und werden eigentlich von allen geliebt. Als ich darüber staunte (weil ich Ahnungslose Suppen ein bisschen nichtssagend finde), wurde zurückgestaunt: Wie bist du denn ohne regelmäßiges Suppeessen so groß geworden?!
Außerdem ist natürlich keine fleischlose Mahlzeit eine richtige Mahlzeit, und man mag es gern getrennt. Heißt, „Salat“ sind nebeneinanderliegende Gurken- und Tomatenscheiben mit endlos viel Öl und Salz. Kein Essig. Und tendenziell keine Salatsoßen.

Die Kälte bringt nicht bei allen Mitbürgern Wandel in der Kleidung mit sich. Frauen, vor allem sehr junge, laufen auch nachts auf dem Weg zur oder von der Party bei 5°C mit offenen, dünnen Jäckchen und kurzen Röckchen über dünnen Strumpfhosen rum. Ich frage mich, wie sie so den Winter überleben.
Vielleicht hat das mit dem weithin praktizierten Drogenkonsum zu tun, der die Menschen temperaturunemfindlicher macht?! Langsam kriege ich mit, wo und wie gedealt wird, ich weiß, wer zu den stadtweit bekannten Junkies zu zählen ist, und mir ist aufgegangen, dass die konspirativen Treffen am Billardtisch weniger in Zigaretten- als anderem Rauch aufgehen. Am Freitagabend war die Toilette der Bar, in der ich mit Freunden saß, eine halbe Stunde lang unbenutzbar, weil eine Clique von Kindern (vielleicht 16, 17 Jahre alt) abwechselnd pärchenweise drinnen verschwand, offensichtlich, um „Stoff“ auszutauschen. Erschreckend ist vielleicht das am meisten: wie jung sie sind. Das Durchschnittsalter in dieser Bar will ich lieber nicht schätzen, aber oft, wenn ich hereinkomme, habe ich den Eindruck, ich sei bei weitem die Älteste.
Abschnitt Drogen, Abteilung Alkohol: Ich habe noch nie vorher Leute gesehen, die in diesem fortgeschrittenen Maße und derartig dauerhaft betrunken sind. Zwar sind auch in Bosnien „die Russen“ als die unerreichten Trinker bekannt (neulich erzählte eine Freundin von einem ihr bekannten russischen Studenten, der eine Flasche Wodka in einem Zug leerte), aber groß kann der Abstand zu den Bosniern nicht sein. Um so erstaunlicher sind jene unter den Dauertrinkern, die am nächsten Tag trotzdem arbeiten und dabei nicht mal besonders mitgenommen aussehen. Ein gutes Zeichen?!

Und noch ein bisschen was Schoenes

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Herbstspaziergang in Zvornik
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Unterwegs in Bosnien

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